Über den Tellerand
Schon öfters wurde ich gefragt, ob es denn schwer sei, sich vegan zu ernähren.
Ich denke mir dann nur, es ist eigentlich genauso schwer, wie wenn man sich vornimmt, seinem Partner treu zu bleiben. Es ist eine Entscheidung, die man trifft.
Bei mir war es schon seit längerem so, dass ich mich flexitarisch ernährt habe, das heißt großteils nicht tierische Lebensmittel konsumiert habe, aber nicht so streng vegan.
Angefangen hat es mit einem Artikel im Falter über die Kälbertransporte, die wegen der Milchproduktion nötig sind. Die Vorstellung, dass mein „unschuldiges“ Glas Milch eigentlich genauso schlimm ist, wie mein saftiges Steak, war mir davor nicht so bewusst. Mir hat das überhaupt nicht gefallen, und dann habe ich keine Milch mehr gekauft, aber andere Milchprodukte sehr wohl. Schritt für Schritt habe ich dann aber immer mehr tierische Produkte durch Pflanzliches ersetzt.
Dann haben mir meine Nichten eine Dokumentation über Meeresfischerei nahe gelegt. Das hat mir auch nicht gefallen. Ich war davor ein großer Fan von Fischgerichten und Meeresfrüchten, aber der Appetit ist mir dann vergangen.
Als nächstes war ich dann in einem Vortrag über die unterschiedlichen Methoden, wie der Fisch zum Filet wird. Dazwischen liegt irgendwie das Töten, und ich habe immer darauf gehofft, dass das möglichst „human“ passiert. Aber in der Realität hat das halt nicht gestimmt.
Je mehr ich gewusst hab, desto sicherer war ich mir, dass ich das eigentlich nicht mehr will. Ich will nicht mehr schuld sein am Tierleid und ich will mich nicht mehr schuldig fühlen, wenn ich mal wieder mit grauslichen Bildern konfrontiert werde.
Viele stören sich daran, dass Aktivist*innen uns immer wieder diese Tatsachen unter die Nase halten. Ich fand das früher auch ur lästig und ich wollte eigentlich gar nicht so genau wissen was es da alles an Grausamkeiten gibt. Ich hatte ein „unschuldiges“ Bild im Kopf, und die Tiere, die bei mir am Teller landeten, hatten doch alle ein schönes Leben. Mein Konsum und mein Genuss waren mir wichtiger als Tatsachen.
Aber bei mir hat es dann doch irgendwann gereicht mit der Realitätsverweigerung und ich habe eine Entscheidung getroffen: nämlich, dass ich mich pflanzlich ernähren will.
Weil ich ja beruflich vorbelastet bin (Psychologin) habe ich mich selbst beobachtet. Was passiert mit meiner Libido, mit meiner Aktivität, mit meinem Denken, mit meinem Körper und was bedeutet das gesellschaftlich für mich?
Als erstes fiel mir auf, dass sich mein Geschmack verändert. Wenn ich mal doch wieder Fleisch probiert habe, hat es mir nicht mehr so wie früher geschmeckt. Es war jetzt fast so, als würde ich etwas Verwesendes essen. Als zweites fiel mir auf, dass ich mich aktiver und vitaler fühlte, nicht mehr so träge. Ich war früher diejenige, die sich immer das fetteste Stück vom Fleisch genommen hat. Beim Einkaufen fiel mir auf, dass ich wohl nicht die Einzige bin, die sich vegan ernähren will, denn in den Supermärkten wurden die pflanzlichen Produkte immer mehr. Gleichzeitig wurde das Einkaufen einfacher und effizienter, in manche Gänge muss ich gar nicht schauen und wo die veganen Regale sind, hat man schnell heraußen.
Natürlich kenn ich die Debatten, wieso denn ein Produkt aus Soja auch Würschtel heißen muss und so ausschauen muss. Warum denn nicht? Wir Menschen sind halt auch „Gewohnheitstiere“, an die Form des Würstchens haben wir uns gewöhnt, das ist was vertrautes, in das beißen wir gerne hinein. Das tut ja niemandem weh, im Gegenzug zu den tierischen Produkten.
Ich muss zugeben, dass ich zum Typus „Puddingveganer“ zähle. Ich mag vegane Pralinen, Torten, Cremen, Saucen und Riegel. Ich liebe Paniertes und Gebackenes! Ich koche wahnsinnig gern und entdecke auf diversen Plattformen eine Vielzahl an köstllichen Gerichten, die ich zeitnah ausprobieren muss.
Vegan zu kochen ist keine Hexerei und um auf die Eingangsfrage zurückzukommen, ob es schwer ist sich so zu ernähren: wenn ich außerhalb von Wien essen gehen will, wird es schwieriger. Es gibt zwar in fast allen Lokalen eine vegane Speise, aber oft wirklich nur eine. Scheinbar sollen die vegan lebenden Mitmenschen doch froh sein, wenn sie einen Salat bekommen (ohne Ei und Speckwürfel kostet der übrigens genauso viel wie ohne).
Also ich bin nicht froh, ich hätte gern eine Auswahl und ich hätte auch gern ein bisschen mehr Originalität als Pommes Frittes oder Couscous mit Spuren von Gemüse.
Ganz zu schweigen von Festen oder Empfängen. Da gibt es oft außer einem Semmerl gar nix. Den Frust kann man dann in Alkohol ertränken (hat auch Kalorien).
Der EU-Abgeordnete Thomas Waitz weist immer wieder auf katastrophale Zustände bei Lebendtiertransporten hin. Das Research Startup The Marker hat zu Beginn des Jahres 2024 einen weiteren Tierskandal mit trächtigen Rindern aufgedeckt, die nach Algerien transportiert wurden (Instagram). Wer sowas nicht mehr mitansehen oder mitfinanzieren will, kann einen Ausweg wählen. Den Konsum tierischer Produkte stark reduzieren, keine billigen Fleischprodukte kaufen oder gleich vegan werden. Fragen Sie in der Verwandtschaft, Kollegschaft und im Bekanntenkreis nach, sie werden sicher jemanden finden, der schon vegan lebt. Kommen Sie ins Gespräch und hören Sie sich an, was diese Menschen berichten. Sammeln sie selbst Erfahrungen, seien Sie neugierig und probieren Sie Sachen aus. Und vielleicht treffen wir uns in ein paar Jahren im ersten veganen Restaurant in Mödling.